Historisches Urteilen zwischen Vergangenheit und Gegenwart? (Silja Leinung)

Bereits im Zuge der Entstehung der Geschichtsdidaktik als eigener Disziplin erfolgte die Zielformulierung von Schüler*innenurteilen im Geschichtsunterricht. Als Karl‑Ernst Jeismann das Geschichtsbewusstsein als Kategorie der Geschichtsdidaktik vorschlug, konkretisierte er dieses anhand der zwar methodisch unterscheidbaren aber weiterhin miteinander in Wechselbeziehung stehenden Operationen der Analyse, des Sachurteils und der Wertung, welche auch den Geschichtsunterricht sequenzieren sollen. Diese Trias der Urteilsbildung hat sich bis heute in der Geschichtsdidaktik gehalten und findet sich in Konzeptionen des historischen Denkens/Lernens und historischer Kompetenzen wieder. Dabei wurde der Nutzen der theoretisch begründeten methodischen Trennung von Sach- und Werturteil bisher nicht explizit empirisch überprüft, obwohl sie die Gefahr birgt, „einen glauben [zu machen], dass es möglich sei, Sach‑ und Wertaussagen im Text tatsächlich zu unterscheiden“ (Becker 2011, 247) und die Wertfreiheit von historischen Sachaussagen aus konstruktivistischer und narrativistischer Perspektive nur bedingt haltbar erscheint. Bisherige empirische Untersuchungen zu Geschichtsbewusstsein, Multiperspektivität und Schüler*innenleistung deuten allerdings auf eine Problematik bzgl. der Sach- und Werturteilsbildung hin. Davon ausgehend stellt sich dieses Forschungsprojekt den Fragen, inwiefern die Trennung von Sach- und Werturteil sich in den historischen Urteilen der Schüler*innen wiederfinden und daraus folgernd inwiefern diese methodische Unterscheidung den Schüler*innen das historische Urteilen erleichtern kann.

Betreuung: Prof. Dr. Sebastian Barsch