,Behinderte‘ Familien? Aufgabenverteilung und Rollenzuweisungen im Alltag westdeutscher Familien mit behinderten Angehörigen zwischen 1945 und den 1980er Jahren

Fördervolumen: € 171.350 (gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft)

Laufzeit: Frühjahr 2018 bis Frühjahr 2022

 

Die Zeitgeschichte von Familien mit behinderten Angehörigen ist bisher noch nicht untersucht worden. Um diese Forschungslücke zu füllen, wird unter heuristischem Rückgriff auf Ansätze und Forschungsergebnisse der Disability History, der Familiengeschichte und der Care History am bundesrepublikanischen Fallbeispiel die Spezifik der Konstellationen von Familien mit behinderten Angehörigen, genauer: mit behinderten Kindern und Jugendlichen, historisch analysiert. Im Zentrum des Projekts stehen die alltäglichen Rollenzuweisungen und die Aushandlungsprozesse in Bezug auf Aufgabenverteilungen in den betroffenen Familien, mussten die behinderten und die nicht behinderten Familienangehörigen doch stets miteinander entscheiden, wer von ihnen welche Aufgaben in der familiären Reproduktions- und in der Sorgearbeit zu übernehmen hatte. Diese Aufgaben und Rollen waren insofern spezifisch, als insbesondere die Bewältigung von behinderungsgenerierten Barrieren oder von Folgen gesellschaftlicher Diskriminierungen im Alltag zu bewerkstelligen war. Untersucht werden in diesem Zusammenhang die Konfliktaustragungsmechanismen, Machthierarchien und Identitätskonstruktionen innerhalb der betroffenen Familien. Der Wandel der innerfamiliären Aushandlungsprozesse wird vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen analysiert, die den familiären Alltag beeinflussten. Gefragt wird danach, wie gesamtgesellschaftliche Veränderungen in Hinblick auf Familienkonzeptionen und -strukturen, auf Geschlechterbilder, auf die Sozial-, Familien- und Rehabilitationspolitik sowie der Wandel der gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderungen von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre in die betroffenen Familien hineinwirkten und dort zu stets neuen Aushandlungsprozessen führten. Einer zentralen Forderung der Disability History nachkommend, werden mit dieser Fragestellung Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen nicht nur als Objekte beispielsweise sozialpolitischen Handelns, sondern als Subjekte ihrer Geschichte wahrgenommen.

Mitarbeiter: Raphael Rössel 

 

Familien mit behinderten Kindern in der DDR (Teilprojekt im Rahmen des vom BMBF finanzierten Vorhabens ,Verbundprojekt: Menschen mit Behinderungen in der DDR (DisHist).‘)

Fördervolumen: ca. € 200.000 (gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung) 

Laufzeit: Herbst 2018 bis Herbst 2021

 

Der Alltag von ostdeutschen Familien mit behinderten Kindern stellt sowohl aus Perspektive der DDR-Geschichte und Disability History als auch der Familiengeschichte und Care History ein Forschungsdesiderat dar. Unter Rückgriff auf Ergebnisse dieser Ansätze will das Projekt diese Lücken schließen und analysieren, wie nicht-behinderte und behinderte Angehörige im familiären Rahmen auf behinderungsspezifische Probleme, Barrieren und Diskriminierungserfahrungen reagierten. Im Zentrum stehen hierbei Rollenverteilungen und Aufgabenzuweisungen, Aushandlungsprozesse und Konfliktmechanismen, Machthierarchien und Identitätskonstruktionen innerhalb der Familien und deren Wandel im Zeitverlauf. Gleichfalls in den Blick genommen werden dabei gesamtgesellschaftliche Entwicklungen politischer, sozialer und kultureller Natur als Hintergrund für den familiären Alltag sowie Rückkoppelungseffekte zwischen beiden Sphären, bspw. der zunehmende Ausbau staatlicher sozialpolitischer Maßnahmen, insbesondere im Heim- und Sonderschulwesen. Hierbei können gerade auch im Vergleich zur westdeutschen Entwicklung verschiedene zeitgenössische sowie von der DDR-Forschung formulierte Thesen und Konzepte am Fallbeispiel von Familien mit behinderten Kindern auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden. Mit wieviel ,Eigensinn‘ wurde beispielsweise auf die ,Fürsorgediktatur‘ oder staatlich propagierte, ideologisch gefärbte Erziehungskonzepte reagiert? Schlugen sich die vergleichsweise hohe Frauenerwerbstätigkeit und frühe Pluralisierung von Familienkonzeptionen auch in Familien mit behinderten Kindern und etwa der dortigen Verteilung der Pflegearbeit nieder? In diesem Sinne will die Arbeit erstmals unter Berücksichtigung der sich wandelnden historischen Kontexte auf empirischer Basis die Situation Sorge gebender und Sorge empfangender Angehöriger in Familien mit behinderten Kindern in der DDR nachzeichnen und erklären.

Mitarbeiterin:Pia Schmüser

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Forschungsprojekt "Formen von Leid und Unrecht bei der Unterbringung in schleswig-holsteinischen Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie in den Jahren 1949 bis 1975" in Kooperation mit Prof. Dr. Cornelius Borck, IMGWF

Gefördert durch das schleswig-holsteinische Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familien und Senioren

Laufzeit: Herbst 2019 bis Herbst 2021
 

Das vom schleswig-holsteinischen Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familien und Senioren beauftragte Forschungsprojekt untersucht Missstände und von Kindern und Jugendlichen erlebte Leid- und Unrechtserfahrungen im Zusammenhang mit ihrer Unterbringung in Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie Kinder- und Jugendpsychiatrien in Schleswig-Holstein in der Zeit von 1949 bis 1975.
Das Forschungsprojekt analysiert die zeitgenössischen rechtlichen Rahmenbedingungen der Klinik- und Heimaufnahme, die Praktiken der Einweisung, innerinstitutionelle Versorgungsbedingungen, Betreuungsmaßnahmen sowie die Arbeits-, Aufenthalts- und Lebensbedingungen in den Einrichtungen. Im Fokus der Untersuchung stehen dabei Gewalt- und Unrechtsverhältnisse, die im Kontext von Aufenthalt, Therapie und Betreuung aufgetreten sind. Dazu gehören physische und psychische Gewalt sowohl zwischen Personal und Patient*innen als auch zwischen Patient*innen und Mitpatient*innen. Darüber hinaus wird untersucht, inwiefern die Lebens-, Teilhabe- und Bildungschancen der minderjährigen Patient*innen und Bewohner*innen durch innerinstitutionelle Umstände und/oder durch strukturelle Mängel in der Versorgungslandschaft Schleswig-Holsteins begünstigt, behindert oder verhindert wurden.
Mit der wissenschaftlichen Untersuchung sollen neben dem Erkenntnisgewinn zur bundesdeutschen Psychiatrie- und Heimgeschichte die massiven Leid- und Unrechtserfahrungen eine stärkere Berücksichtigung erfahren, wie sie durch Zeitzeug*innenberichte von ehemaligen Patient*innen und Bewohner*innen aus Schleswig-Holstein wiederholt eindrücklich geschildert wurden.
Die Forschungsarbeit wird von einem Kooperationsteam aus ausgewiesenen wissenschaftlichen Expertinnen und Experten der Zeitgeschichte, Rechtswissenschaft, Medizinethik und Psychiatrie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität zu Lübeck begleitet. Die gesamten Ergebnisse dieser Studie finden Sie unter folgendem Link Text

Mitarbeiter: Nils Kühne

 

Projekt ‚Wissenschaftliche Untersuchung der Praxis der Medikamentenversuche in schleswig- holsteinischen Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie in den Erwachsenen-, Kinder-und Jugendpsychiatrien in den Jahren 1949 bis 1975‘

Gefördert durch einen Auftrag des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie in Abstimmung mit dem Sozialausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags
 

Das vom schleswig-holsteinischen Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familien und Senioren beauftragte Forschungsprojekt wurde von Dr. Christof Beyer, Prof. Cornelius Borck, Jonathan Holst und Prof. Gabriele Lingelbach bearbeitet und dessen Ergebnisse 2021 veröffentlicht. Untersucht wurden Medikamentenversuche in Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie der Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie im Zeitraum 1949 bis 1975. Anhand der Auswertung umfangreicher Archivunterlagen und zeitgenössischer Fachpublikationen konnten insgesamt 41 Medikamentenerprobungen vor Markteinführung und 34 Anwendungsbeobachtungen von Arzneimitteln nach Markteinführung nachgewiesen werden. Diese wurden in den Landeskrankenhäusern (LKH) Schleswig (Stadtfeld/ Erwachsenenabteilung und Hesterberg/ Minderjährigenabteilung), Neustadt und Heiligenhafen, in den kirchlichen Einrichtungen in Rickling und Kropp sowie in der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Kiel und dem Städtischen Krankenhauses Lübeck-Ost/Medizinische Akademie Lübeck vorgenommen. Insbesondere für das LKH Schleswig und die Universitätspsychiatrie Kiel waren zahlreiche Medikamentenerprobungen und Anwendungsbeobachtungen nachweisbar. Die gesamten Ergebnisse dieser Studie finden Sie unter folgendem Link: Text

 

Menschen mit Behinderung in Deutschland nach 1945. Selbstbestimmung und Partizipation im deutsch-deutschen Vergleich: Ein Beitrag zur Disability History

Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Mitarbeiter: Sebastian Schlund, Jan Stoll und Bertold Scharf

Fördervolumen: € 475.000 (gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG)

Laufzeit: Frühjahr 2012 bis Herbst 2017


Das Projekt untersucht Interdependenzen zwischen gesellschaftlichen Praktiken und Vorstellungen in Bezug auf "Behinderte" sowie Strategien von Menschen mit Behinderung, auf politische Normsetzungen und gesellschaftliche Zuschreibungen einzuwirken. Die Möglichkeiten und Grenzen für Selbstbestimmung und Partizipation in Auseinandersetzung mit sozialen Konstruktionen von Behinderung werden in einem deutsch-deutschen Vergleich von 1945 bis in die frühen 1990er Jahre ausgelotet. Im Unterschied zur bisherigen Forschung, die in erster Linie das Handeln von Nichtbehinderten gegenüber Behinderten thematisierte, wird dezidiert auch die Perspektive der Betroffenen einbezogen und in drei Teilprojekten analysiert. 1. wird die Interessenpolitik von Betroffenenorganisationen anhand ihrer Bemühungen analysiert, auf Gesetzesvorhaben Einfluss zu nehmen, über Selbstadvokation soziale Inklusion zu fördern oder mittels Öffentlichkeitsarbeit Repräsentationen von Behinderung zu beeinflussen. 2. wird der Behindertensport als ein Ort alltäglicher Interaktion untersucht, wo man gegen vorhandene Barrieren anging und um soziale Partizipationschancen stritt. Hier wurden zudem Körperbilder und gesellschaftliche Stereotype von Behinderung im Wechselspiel mit identitären Selbstentwürfen verhandelt. 3. wird verfolgt, wie Menschen mit Behinderung auf ihren eigenen Lebensalltag in der Arbeitswelt Einfluss nahmen und zu welchen Kooperation und Konflikten es zwischen Behinderten und Nichtbehinderten vor dem Hintergrund sozialpolitischer Direktiven und existierender Stereotype kam. Das Gesamtprojekt erweitert mithin die sozial- und kulturgeschichtliche Forschung mit Hilfe der Disability History um eine bisher vernachlässigte Dimension sozialer Ungleichheit.

Bearbeiter: Sebastian Schlund, Jan Stoll, Bertold Scharf

Publikationen

Gabriele Lingelbach / Jan Stoll: Die 1970er Jahre als Umbruchsphase der bundesdeutschen disability history? Eine Mikrostudie zu Selbstadvokation und Anstaltskritik Jugendlicher mit Behinderung; in: Moving the Social 49 (2013), S. 25–52.

Gabriele Lingelbach / Sebastian Schlund: Disability History. Version 1.0; in: Docupedia-Zeitgeschichte, 8.07.2014.

Jan Stoll: „Behinderung“ als Kategorie sozialer Ungleichheit. Entstehung und Entwicklung der "Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind" in der Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren; in: Archiv für Sozialgeschichte 54 (2014), S. 169–192.

Bertold Scharf: Tagungsbericht Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche? Die Lebenslage von Menschen mit Behinderungen in Deutschland nach 1945: Periodisierungsfragen der deutschen Zeitgeschichte aus interdisziplinärer Perspektive. 20.03.2014–22.03.2014, Köln, in: H-Soz-Kult, 02.09.2014, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5520.

Jan Stoll: Disability Movements: National Policies and transnational Perspectives - Introductory Remarks, in: Moving the Social 53 (2015), S. 5–10.

Jan Stoll: The German Disabilty Movement as a transnational, entangled New Social Movement, in: Moving the Social 53 (2015), S. 63–86.

Gabriele Lingelbach (Hg.): Kontinuitäten, Zäsuren, Brüche? Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Zeitgeschichte, Campus Verlag, Frankfurt 2016. (Zusammen mit Anne Waldschmidt)

Sebastian Schlund: Kompensation des "Makels"? Der organisierte Sport kriegsversehrter Männer in der Bundesrepublik Deutschland 1950 bis 1968, in: Bernhard Gotto/ Elke Seefried (Hg.), Männer mit "Makel". Männlichkeiten und gesellschaftlicher Wandel in der frühen Bundesrepublik (= Zeitgeschichte im Gespräch, Bd. 25),  Berlin 2016, S. 49–61.

Gabriele Lingelbach: Disability History - Begriffe, Themen, Methoden in: Geschichte betrifft uns 5 (2016), S. 4–6.

Jan Stoll: Behinderte Anerkennung? Interessenorganisationen von Menschen mit Behinderung in Westdeutschland seit 1945, Dissertation, Frankfurt a.M./ New York 2017.

Gabriele Lingelbach: Jenseits der Epochengrenzen: Perspektiven auf die allgemeine Geschichte, in: Cordula Nolte et al. (Hg.): Handbuch der Dis/ability History der Vormoderne, Affalterbach 2017, S. 50–52 (zusammen mit Anne Waldschmidt).

Sebastian Schlund: "Behinderung" überwinden? Organisierter Behindertensport in der Bundesrepublik Deutschland (1950-1990), Frankfurt am Main/ New York 2017.

Gabriele Lingelbach (Hg.): Blindheit in der Gesellschaft. Historischer Wandel und interdisziplinäre Zugänge, Campus Verlag, Frankfurt 2018 (Sammelband, herausgegeben zusammen mit Alexa Klettner).

Potenziale und Grenzen einer multi- bzw. interdisziplinären Analyse von Blindheit als gesellschaftlichem Phänomen, in: Alexa Klettner / Gabriele Lingelbach (Hg.): Blindheit in der Gesellschaft. Historischer Wandel und interdisziplinäre Zugänge, Campus Verlag, Frankfurt 2018, S. 7-33 (zusammen mit Alexa Klettner).

Behindert/Nicht Behindert. Disability History, in: APuZ 63 (2018), H. 38/39, S. 37–41. [http://www.bpb.de/apuz/275890/behindert-nicht-behindert-disability-history]

Gabriele Lingelbach (Hg.): Disability History (= Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 70, Heft 1/2, 2019) (Themenheft).

Gabriele Lingelbach: Der Stand der Forschung zur Geschichte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 70, H. 1/2 (2019), 5–21.

Bertold Scharf / Sebastian Schlund / Jan Stoll: Segregation oder Integration? Gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der DDR, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 70, H. 1/2 (2019), 52–71.

Tagungen

Workshop „Neuere Forschungen zur mittelalterlichen und zeitgeschichtlichen Disability History“. Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 15./16.02.2013.

"Kontinuitäten, Zäsuren // Brüche. Die Lebenslage von Menschen mit Behinderungen in Deutschland nach 1945: Periodisierungsfragen der deutschen Zeitgeschichte aus interdisziplinärer Perspektive". Universität zu Köln, Humanwissenschaftliche Fakultät, 20.-22. März 2014.

 

 

Die Geschichte des Kauf- und Konsumboykottes in Deutschland seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert

Fördervolumen: € 164.810 (gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft – DFG)

Laufzeit: Herbst 2013 bis Herbst 2016


Das Projekt analysiert am deutschen Beispiel die Geschichte von Kauf- und Konsumboykotten seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als katalysatorische Momente der Durchsetzung soziomoralischer und politischer Intentionen über Märkte. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht vor allem die Arbeit derjenigen Personen und Gruppen, die dazu aufgerufen haben, auf den Kauf oder Konsum bestimmter Waren und Dienstleistungen zu verzichten oder einzelne Unternehmen zu meiden. Die Trägerschaft solcher Boykottaufrufe soll als Teil von sozialen Bewegungen verstanden werden. Aus einer akteurszentrierten Perspektive werden unter anderem Zielsetzungen, Strategiewahl und Aktionsformen sowie die soziale Basis und Entwicklungsdynamiken der Boykotteure und ihrer Aktionen beschrieben. Ergänzend hierzu wird auch die Perspektive von betroffenen Unternehmen herangezogen, um Aussagen zur Wirkmächtigkeit der analysierten Boykottaktionen treffen zu können. Ziel ist es, anhand dieser konkreten Formen kollektiven Markthandelns sowohl die aktivistische als auch die historisch-prozessuale Dimension moralisierter Märkte – stärker als in der bisherigen Forschung geschehen – herauszuarbeiten.

Das Projekt bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Es leistet vornehmlich einen Beitrag zur Erforschung sozialer Bewegungen, trägt aber darüber hinaus durch die Untersuchung des Zusammenhanges von Konsum und sozio-moralischen Intentionen ebenso zu einer Historisierung von Moralvorstellungen bei. Zudem sollen Interdependenzen zwischen gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen und dem Handeln kollektiver Marktakteure aufgezeigt werden.

Mitarbeiter: Martin Gerth

Vorträge

Martin Gerth: "Boycott Movements in Germany since 1945"; European Social Science History Conference (ESSHC), Universität Wien, 24.4.2014.

Martin Gerth: The History of Boycott Movements in Germany - Restrictions and Promotion of Consumer Well-Being; Symposium des International Centre for Anti-consumption Research (ICAR), Universität Kiel, 4.7.2014.
 

Martin Gerth: "Die Geschichte des Kauf- und Konsumboykottes in Deutschland seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert"; Doktorandenkolloquium Neuere Geschichte (Prof. Dr. Knoch), Historisches Institut der Universität Köln, 15.12.2014.

Martin Gerth: "Die Geschichte des Kauf- und Konsumboykottes in Deutschland seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert"; "Nordlichtertreffen", Universität Hannover, 10.01.2015.

Veröffentlichungen

Martin Gerth: The History of Boycott Movements in Germany: Restrictions and Promotion of Consumer Well-Being; in: Lee, Michael; Hoffmann, Stefan (Hrsg.): Anti-consumption and Consumer Well-being (ICAR-Proceedings), Kiel 2014 (abrufbar unter: http://www.marketing.bwl.uni-kiel.de/en/icar-2014/icar-proceedings/icar-proceedings).

Martin Gerth: Varianten des Verzichts. Zur Geschichte des Konsumboykotts in Deutschland seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert (Dissertation, kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://macau.uni-kiel.de/receive/macau_mods_00004120).

 

 

Institutionalisierte Geschichte. Der Verband Deutscher Historiker und seine Historikertage 1890 bis 1950

Fördervolumen: € 125.000 (zur Verfügung gestellt von der Fritz Thyssen Stiftung)

 

Laufzeit: April 2013 bis März 2015


Der Gegenstand des von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projektes ist die Geschichte des aus den ersten deutschen Historikertagen hervorgegangenen, 1895 gegründeten Verbandes Deutscher Historiker zwischen wilhelminischem Kaiserreich und der Wiedergründung des Verbandes nach 1945. Ausgehend von den vom Historikerverband veranstalteten Historikertagen sollen am Beispiel der Verbandsgeschichte Bedingungen, Möglichkeiten und Probleme von Institutionalisierungen bzw. Institutionen in den historischen Wissenschaften seit der Jahrhundertwende untersucht werden. Als wenig verfestigte Institution, vorwiegend geprägt durch die in ihrem Rahmen wirkenden Akteure, können anhand der Geschichte des Historikerverbandes sowohl der Prozess der methodischen und thematischen Ausdifferenzierung bzw. Standardisierung als auch jener der fortschreitenden Institutionalisierung des Faches analysiert werden.

Mit den Historikertagen als zentralem Forum des fachlichen Austauschs, als kontinuierlich abgehaltener und öffentlich wirksamer Fachtagung gewinnt eine Geschichte des Verbandes Deutscher Historiker zudem an besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft in Deutschland. Als Vertreter auf den Internationalen Historikertagen wie im Internationalen Historikerkomitee war der Historikerverband seit der zweiten Hälfte der 1920er Jahre darüber hinaus Repräsentant der deutschen Geschichtswissenschaft in der Zusammenarbeit wie auch Auseinandersetzung mit anderen nationalen historischen Disziplinen. Das Projekt strebt deshalb eine Darstellung der Entwicklung des Verbandes Deutscher Historiker in seinen internationalen Verflechtungen wie auch im interdisziplinären Vergleich an und wird zudem nach der Rolle des Verbandes bei der Professionalisierung der Geschichtswissenschaft seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und seiner Bedeutung als Instanz fachlicher Standardisierung sowie nach seinem Wirken im Beziehungsverhältnis von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit fragen.

(Die Studie erschien 2018 im Wallstein Verlag: Matthias Berg / Olaf Blaschke / Martin Sabrow / Jens Thiel / Krijn Thijs: Die versammelte Zunft. Historikerverband und Historikertage in Deutschland 1893-2000, 2 Bde.)