Die Praxis der beruflichen Rehabilitation behinderter Jugendlicher und Erwachsener in der Bundesrepublik Deutschland (1969-1990)

Fördervolumen: € 188.050 (gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft - DFG)

Laufzeit: Juni 2023 bis Mai 2026
 

Das Projekt befasst sich mit der Berufsausbildung von Jugendlichen mit Behinderung in Berufsbildungswerken (BBW) und dem dualen System in Betrieben sowie der Weiterbildung und Umschulung von Erwachsenen mit Behinderung in Berufsförderungswerken (BFW) in der Bundesrepublik Deutschland. Die BBWs und BFWs wurden im Verlauf der 70er Jahre immer relevanter, da Expert*innen am Übergang von den 60er zu den 70er Jahren der Meinung waren, die Ausübung einer Erwerbsarbeit sei der Schlüssel zur gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Behinderung.

Bisher wurde die berufliche Rehabilitation primär als ein Teil der Sozialpolitik untersucht, wobei politische Akteure und deren Handlungsmacht im Zentrum standen. Im Anschluss daran legt dieses Forschungsvorhaben sein Hauptaugenmerk auf die Praxis innerhalb der Einrichtungen und erforscht den Alltag während der Maßnahmen. Die Rehabilitand*innen mit Behinderung sollen in diesem Kontext nicht nur als passive Teilnehmer*innen der Maßnahmen, sondern als handelnde Individuen mit eigenen Wünschen und einer eigenen Gestaltungsmacht verstanden werden. Inwiefern welche Gruppe von Menschen mit Behinderung Einfluss auf die Rehabilitationspraxis hatte, soll mithilfe einer intersektionalen Analyse anhand der Kategorien gender, class, Alter sowie der Art und Ursache der Behinderung untersucht werden. Neben eben jenen Aushandlungsprozessen zwischen Menschen mit Behinderung und den Einrichtungsleitungen beziehungsweise den Trägern der Einrichtungen, spielen auch Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Gruppen von behinderten Menschen eine Rolle. Diese zeigen sich beispielsweise bei der Konkurrenz um sichere Arbeitsplätze. Inwiefern diese Aushandlungsprozesse sich über den untersuchten Zeitraum wandelten, soll vor dem Hintergrund von Aufmerksamkeitskonjunkturen, sich verändernder Vorstellungen von Behinderung und des strukturellen Wandels der Arbeitswelt analysiert werden.

Mitarbeiter: Erik Kömpe 

 

Staatspolitik im Zoo. Chinas Pandageschenke und -leihgaben im Kalten Krieg

Postdoc-Projekt von Britta-Marie Schenk

Große Pandabären zählen zu den Zoo-Attraktionen schlechthin, schließlich sind sie nicht bloß niedlich, sondern auch äußerst selten. Nur wenige von der chinesischen Regierung ausgewählte Zoos auf der Welt dürfen einen Pandabären beherbergen; in Europa sind das momentan gerade einmal neun Tiergärten. Chinas Panda-Monopol spielte seit Beginn des Kalten Krieges eine zentrale Rolle für die in dieser Phase intensivierten Beziehungen zu den europäischen Ländern. Die verschenkten, geliehenen, in einigen Fällen wieder zurückgeforderten Pandabären avancierten zu diplomatischen Objekten anhand derer geostrategische und wirtschaftliche Beziehungen im Kalten Krieg ausgehandelt wurden. Hier setzt das Projekt an und fragt in einem ersten Schritt nach den historischen, macht- und geostrategischen Voraussetzungen, Begleitumständen und Folgen der Panda-Diplomatie für die beteiligten Länder.
Die Pandageschenke beeinflussten aber nicht nur das jeweilige Verhältnis zu China, sondern auch die Beziehungen der beschenkten und leerausgegangenen europäischen Länder untereinander – was auf einer zweiten Ebene untersucht wird. Solche Konkurrenzverhältnisse tangierten nicht nur Politiker, auch Zoodirektoren kämpften um die Besucherattraktion Panda und kritisierten die Panda-besitzenden Tierparks für ihre angeblich nicht-artgerechte Unterbringung in dem jeweiligen Zoo.
Zudem veränderte sich die Binnenstruktur eines Zoos, wenn er Pandas beherbergte. Denn der Panda wurde nicht nur am Flughafen wie ein Staatsgast empfangen, sondern hatte auch im Zoo eine Vorzugsstellung inne. Inwiefern diese herausgehobene Stellung dem Zoo zum finanziellen Vorteil gereichte, eventuell aber auch Nachteile für die anderen Zootiere bedeutete, wird auf einer dritten lokalen bzw. glokalen Ebene untersucht. Hier stehen sowohl zoointerne Wandlungsprozesse im Mittelpunkt als auch die mediale Begleitung der Pandas von ihrer Ankunft über ihre Rolle als Zoo- und Touristenattraktion, ihre schwierige Reproduktion bis hin zu ihrem Tod – der mitunter sowohl für eine Art lokaler Trauer sorgte als auch stets ein Politikum darstellte. Insofern hat das Projekt eine globale, eine europäische sowie eine regionale Dimension.
Im Sinne einer neueren Diplomatiegeschichte, die sich nicht auf Außenpolitik reduzieren lässt und an der mehr Akteure partizipieren als nur staatliche Repräsentanten, werden Umweltschutzorganisationen wie der World Wildlife Fund (WWF), Zoodirektoren und die Medien in den Ankunftsländern einbezogen. Mithin wird der Weg der Pandabären in die europäischen Länder verfolgt, um ihre Doppelrolle als globales diplomatisches Objekt sowie als lokale Besucherattraktion zu erklären. Damit verbindet das Projekt eine diplomatiegeschichtliche Perspektive mit der Analyse von Tier-Mensch-Beziehungen.