Habilitationsprojekt

Europas Bordell? Akteur:innen, Interessen und Migration im deutschen Prostitutionsgewerbe vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart

Ob in der Tagespresse, den sozialen Medien oder Filmen – Prostitution ist ein allgegenwärtiges Thema. Das ist wenig überraschend, denn Prostitution ist und war im deutschen Raum stets legal. Im europäischen Vergleich beschreitet Deutschland damit einen Sonderweg: Kaum ein anderes Land in Europa hat nämlich eine derart liberale Gesetzgebung, wenn es darum geht, sexuelle Dienstleistungen entgeltlich anzubieten oder in Anspruch zu nehmen. Der freigiebige juristische Umgang mit Prostitution war nur einer von vielen Gründen, warum sich Männer und Frauen aus dem europäischen und internationalen Ausland in Deutschland prostituierten. Welche weiteren Motive trieben Frauen und Männer dazu, sich zu prostituieren und inwiefern haben Migrant:innen die deutsche Prostitution verändert oder mitgestaltet? Diese Fragen sind aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive bisher nur unzureichend beantwortet worden. An den Schnittstellen von Migrations- und Geschlechtergeschichte fragt das Forschungsvorhaben deshalb danach, welche Akteurinnen und Akteure mit ihren jeweiligen Interessen die deutsche Prostitution im Zeitverlauf beeinflusst und geprägt haben. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Migrantinnen und Migranten, also die Prostituierten selbst, gelegt. Zugleich wird untersucht, wie staatliche Behörden, Organisationen und Medien auf die Prostitution eingewirkt haben. Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Geschichte der deutschen Prostitution mit Hilfe eines geschlechtergeschichtlichen Zugangs zu berücksichtigen. Dabei wird die heterosexuelle Prostitution ebenso untersucht, wie die Mann-männliche Prostitution, um so gleichermaßen nach Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen fahnden zu können. Zugleich soll die Zeitgeschichte aus Perspektive stigmatisierter Randgruppen betrachtet und um diesen Aspekt erweitert werden. Zuletzt ist es das Ziel, eine Migrationsgeschichte der Prostitution zu schreiben, die sich auch ganz wesentlich auf die Sichtweise der Migrantinnen und Migranten stützt.