„Höfische Feste im Spätmittelalter“

Internationale Tagung am Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel am 13. und 14. Dezember 2002

 

Hoffeste

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Festmahl des Erzbischofs Balduin von Trier Aus der Bilderchronik im ersten Band der „Balduineen“ (Miniatur 3a)

 

Während bis in die 70er und 80er Jahre bei der Erforschung der spätmittelalterlichen Fürstentümer vornehmlich die rechts- und verfassungsgeschichtliche Frage nach der Landesherrschaft im Vordergrund stand, so hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten das wissenschaftliche Interesse den sozial- und kulturgeschichtlichen Dimensionen der fürstlichen Existenz zugewandt. Unter der Moderation von Karl-Heinz Spieß (Greifswald), Thomas Zotz (Freiburg), Gerhard Fouquet (Kiel) und Andreas Ranft (Halle) trafen sich jüngere Historiker und Historikerinnen, um sich mit neu entwickelten Fragestellungen und unterschiedlichen Zugängen dem spezielleren Thema der Feste bei Hofe zu nähern.

Gerade die Feste standen in den vergangenen Jahren im Fokus der Forschung, lassen sich bei ihnen doch viele Fragen, die das adlige Leben, gar das Selbstverständnis betreffen, aus dem Zeremoniell, der Rangordnung der gemeinschaftsstiftenden Funktion des gemeinsamen Feierns usw. beantworten. Dabei ging der Blick über die Verhältnisse des engeren Rahmens im spätmittelalterlichen Reich hinaus, auch Westeuropa wurde vergleichend mit in die Betrachtung einbezogen, was insofern angeraten war, als dass es die weitverbreitete Vorstellung gibt, dass insbesondere der französische Königshof im späten 14. Jahrhundert und der burgundische Herzogshof seit der Mitte des 15. Jahrhunderts Maßstäbe setzten. Unbefangen darf zugegeben werden, dass das Problem der Rezeption westeuropäischer Formen höfischen Lebens durch den Hochadel des Reichs bei den Diskussionen immer wieder eine Rolle spielte, letztlich aber nicht genau gelöst werden konnte: Zu vielgestaltig sind die Höfe des Reichs, als dass man sie auf einen Nenner hätte bringen können.

Das erste Referat behandelte einen westeuropäischen Hof, den des französischen Königs gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Ausgehend von dem berühmten Januarblatt der Très Riches Heures des Herzogs von Berry, das nach allem, was man weiß, ein Neujahrsfest zeigt, konnte Jan Hirschbiegel das Wesen des Geschenketauschs am Hof des französischen Königs Karl VI. (1380-1422), der zu einem Großteil vom burgundischen Herzog Philipp dem Kühnen dominiert wurde, näher charakterisieren. Das Neujahrsfest an den französisch-burgundischen Höfen wies alle typischen Elemente eines adlig-fürstlichen Festes auf: Eine überbordende gastliche Tafel, musikalische und andere Unterhaltung mit Tanz, ein Turnier als Höhepunkt und abschließend die Feier eines Gottesdienstes. Bei dem Fest wurden nicht nur die Teilnehmer selbst eingebunden, sondern auch das Hofpersonal und nicht zuletzt ein weiteres, unbestimmtes Publikum. Der im Mittelpunkt des Festes stehende Gabentausch gewährt darüber hinaus interessante Einblicke in die persönlichen Vertrauensverhältnisse bei Hofe, über die man sonst nicht viel weiß. Hauptsächlich waren es Familienmitglieder, hochrangige Vertraute und Bedienstete, die mit aufwendig gestalteten „höfischen Gaben“ bedacht wurden. Diese Gaben können als Indikator für die jeweilige Position von Schenkern und Beschenkten in der höfischen Hierarchie gewertet werden.

Wie die beiden folgenden Referate verdeutlichten, sahen die Verhältnisse bei den Reichsfürsten im 15. Jahrhundert deutlich bescheidener aus. Die 1447 in Pforzheim geschlossene Vermählung Markgraf Karls I. von Baden mit Katharina von Österreich, war Gegenstand des Vortrags von Heinz Krieg. Es konnte gezeigt werden, dass die Hochzeit ein Höhepunkt der markgräflichen Politik darstellt, gleichsam die Krönung des Konnubiums, bedeutete die Hochzeit doch einen enormen Prestigegewinn. Die oft nur notizenhaften Aufzeichnungen des badischen Hofs zeugen von dem Bemühen, offenbar unter Aufbietung aller irgendwie verfügbaren Kräfte ihren fürstlichen Rang herauszustellen. Abgesehen von der integrativen Funktion für den markgräflichen Hof selbst und ihrer Bedeutung als Kommunikationsforum verbündeter und verwandter Fürsten kommt ihr noch eine besondere Rolle für die Geschichte Pforzheims hinzu, stellte sie doch den Auftakt dar für den avisierten Ausbau des Orts zu einer repräsentativen, reichsfürstlichen Ansprüchen genügenden Residenz der Markgrafen von Baden.

Gabriel Zeilinger untersuchte die für die Grafen von Württemberg bedeutende Uracher Hochzeit 1474, als Graf Eberhard „im Bart“ die italienische Fürstentochter Barbara Gonzaga ehelichte. Der Referent stellte diese prächtige Hochzeit mit immerhin einigen tausend Gästen in die Reihe der bekannten Feierlichkeiten wie die Landshuter und Amberger Hochzeit und ordnete sie ferner in den Rahmen der landesherrlichen Politik ein, die bis zur Erhebung zum Herzogtum und zur formellen Aufnahme in den Reichsfürstenstand 1495 führte. In einer punktuellen Vertiefung des Themas konnte gezeigt werden, dass es dem Grafen gelang, nicht nur das Hofpersonal, sondern auch die württembergischen Landstände, seine niederadlige Klientel, und sogar die schwäbischen Grafengenossen in die zeremonielle Ausgestaltung des Hoffestes zu integrieren und so letztlich das dynastische Fest als Mittel der Herrschaftsverdichtung zu nutzen.

Eine besondere Quelle, die sogenannten „Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumberg“, eine Auftragsarbeit des Ludwig von Eyb d.Ä., ermöglichte es Sven Rabeler, nach der Bedeutung der höfischen Festkultur für den Niederadel zu fragen. Die Teilnahme an den großen höfischen Ereignissen und Festen (neben den militärischen und denen der eigenen Familie) ist in den „Geschichten und Taten...“ eingehend dokumentiert, da mit der Teilnahme der Erwerb von symbolischem Kapital (Ehre) verbunden war. Bei seiner eigenen Hochzeit übernahm Wilwolt auch selbst Elemente des höfischen Fests und nutzte diese zur Selbstdarstellung. Letztlich scheint in sozialer und kultureller Hinsicht eine scharfe Trennung zwischen Hoch- und Niederadel zu ziehen nicht möglich zu sein, da das Leben zumindest einiger Niederadliger auf Fürstendienst und Hof ausgerichtet war.

Ein besonderes und von der älteren Forschung stark vernachlässigtes Thema war Gegenstand der Ausführungen von Stephan Selzer: „Farben bei Hofe“. In der Moderne, der Gegenwart geht man täglich mit Farben um. Sie begleiten einen jeden bei der Wahl der Kleidung, als Signalfarbe im Straßenverkehr und nicht zuletzt in der Werbung als Erkennungszeichen für Markenprodukte. Man muss annehmen, dass sich auch in der mittelalterlichen Realität das Phänomen der Farbe in einer ähnlich dichten Komplexität darstellt. Der Vortrag nahm sich dieser Frage am Beispiel der Hofkleidung an, die zweimal jährlich an allen europäischen Fürstenhöfen an das Personal ausgegeben wurde, konkret besonders am Beispiel der Herzöge von Sachsen im 16. Jahrhundert. Weil die Farbe der Kleidung wechselte, kann man Einblicke in Farbentscheidungen gewinnen, die auf wirtschaftliche, soziale und vor allem politische Determinanten verweisen.

Wiederum auf einen besonderen Fall konnte Volker Hirsch aufmerksam machen, indem er auf die Stellung der geistlichen Reichsfürsten im spätmittelalterlichen Reich verwies: Er konnte zeigen, dass am kleinen Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen die Hoffeste nicht nur bescheidener ausfielen als an den großen Höfen, sondern dass auch bestimmte Bestandteile ausfielen wie Tanz und Turnier oder bescheidener gepflegt wurden wie die Musik. Verglichen wurde dieser Befund mit dem Fest am Papsthof unter Johannes XXII., was zu der These führte, dass sich die Bischöfe des Reichs in einem Rollenkonflikt befanden, da sie einerseits zur Repräsentation verpflichtete weltliche Herrscher, andererseits aber als geistliche Hirten an die Enthaltsamkeit gebunden seien.

Bei dem Vortrag von Harm von Seggern über „Kommunikation und Fest“ wurden die in den vergangenen Jahren neu in das Blickfeld der Forschung geratenen Kommunikationsformen betrachtet. Dabei ging er von dem Befund aus, dass der Begriff Kommunikation nicht gerade glücklich ist, da darunter sehr viele Erscheinungen fallen können. Für die Quellenarbeit muss er präzisiert werden. Am Beispiel der Hochzeit Maximilians I. von Habsburg mit Maria von Burgund konnte er so zum einen den Verkehr zum Festort (Gesandtschaften), dann die symbolische Kommunikation auf dem Fest und schließlich die Darstellung in den Chroniken und anderen Werken vorstellen. Deutlich wurde, dass die Hochzeit wesentlich kleiner begangen wurde als die von Karl dem Kühnen und Margaretha von York 1468. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass der Vetter der Braut erst vor einem halben Jahr bei der Schlacht von Nancy gefallen war und anschließend König Ludwig XI. die burgundischen Niederlande in einen Krieg verzettelte.

Karsten Ploeger untersuchte das Zeremoniell auf den Reisen der englischen Gesandten, die sich während des 14. Jahrhunderts durch das feindliche Frankreich auf dem Wege zum Papsthof in Avignon befanden. Bei diesem Gegenstand ergab sich wegen des Empfangs der Gesandten beim Papsthof das Problem der Einbindung der Liturgie in die kirchlich überformten Feste des päpstlichen Hofes, weswegen der Referent zwischen Zeremoniell und dem Fest im engeren Sinne unterscheiden möchte. Die Überlieferung allerdings schweigt sich über den Bereich der Feste weitgehend aus. Anders sieht es mit der Infrastruktur, wie man sagen könnte, für die Reisenden aus: Herbergen, Hospitäler, Führer usw. erleichterten das Reisen und die Wohnungsnahme in Avignon selbst.

Waren bisher mehrmals Hochzeitsfeierlichkeiten Gegenstand der Vorträge gewesen, so ging es in dem Beitrag von Cornell Babendererde um „Leichenfeiern als höfisches Fest“. Als erstes wurde der Unterschied zwischen Begräbnis und Begängnis erläutert und auf die liturgische und rechtliche Bedeutung des Begängnisses eingegangen, worauf sich die dezidiert höfischen Merkmale von Begängnissen anschlossen. Dies betraf beispielsweise den eingeladenen Personenkreis und die Rangordnung beim Leichenzug, beim Opfergang und beim Leichenschmaus. Abschließend standen die Verbindung mit den späteren Gedächtnisfeiern und ihrer monumentalen Umsetzung am fürstlichen Grab im Mittelpunkt.

Als Ergebnis lässt sich eine Präzisierung der Fragestellungen für weitere Forschungen festhalten. Mehrfach tauchte das Problem auf, ob und wie höfische Feste von Außenstehenden wahrgenommen wurden. Nicht immer bildete die Einwohnerschaft von Städten das Publikum von Festen, auch bleibt die Grenze zwischen reinem Publikum und Teilnehmern noch genauer zu erforschen. Eine wichtige Frage wurde in der Diskussion von K.-H. Spieß formuliert, der den Umstand aufgriff, dass in der Forschung (auch auf der Tagung) durchgängig von der integrativen Kraft der Feste gesprochen wird. Aber: wie funktioniert Integration praktisch? Worin äußert sie sich? Am Ende entstanden, wie intendiert, weitere Fragen an zukünftige Forschungen im Raum.

 

Der Tagungsband steht als Sonderheft 6 der Mitteilungen der Residenzen-Kommission zum kostenfreien Download als PDF-Datei zur Verfügung.