Abschlussbericht zum Projekt "Kleinburgen als Phänomen sozialen und herrschaftsräumlichen Wandels. Die Beispiele Schleswig und Holstein (13.–16. Jahrhundert)" [abgeschlossen 04/2019]

Das Projekt „Kleinburgen als Phänomen sozialen und herrschaftsräumlichen Wandels. Die Beispiele Schleswig und Holstein (13.–16. Jahrhundert)“ befasste sich mit dem Burgenbestand im genannten Untersuchungsraum. Dabei wurden einerseits die Burganlagen selbst, andererseits die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Prozesse, in die ihre Errichtung, ihr Unterhalt sowie ihre Zerstörung eingebettet waren, untersucht. Grundlegend hierfür war zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit dem bisherigen Forschungstand. Populäre Vorstellungen von der Burg als solcher und von den mit ihr in Verbindung stehenden Akteuren, insbesondere vom Adel, wirkten sich in erheblichem Umfang auch auf die wissenschaftliche Erforschung aus. Dies zeigte sich zunächst hinsichtlich der Anzahl der Anlagen: Wurde diese noch im Antrag aufbauend auf der Literatur auf insgesamt 300 veranschlagt, so können nach einer kritischen Durchsicht des schriftlichen Materials unter Berücksichtigung der archäologischen Befunde nur 156 Burgen  als sowohl archäologisch als auch geschichtswissenschaftlich gesichert angesehen werden. Augenfällig ist dabei die erhebliche Reduktion des Bestands sowohl in Holstein und Stormarn als auch in Südjütland, wohingegen für die vermeintlich burgenfreien Regionen Dithmarschen und Nordfriesland neue Anlagen erschlossen und erforscht werden konnten. Das Geschichtsbild von der „Bauernrepublik“ Dithmarschen und vom ebenfalls weitgehend adelsfreien Nordfriesland dürfte dort ebenso wirkmächtig geworden sein, wie es in Südjütland, Holstein und Stormarn die weit verbreitete Vorstellung vom ausschließlich auf Burgen sitzenden Adel war. So war die nordfriesische Gesellschaft in höherem Maße binnenhierarchisch gruppiert als bisher angenommen. Südlich davon lag dagegen eine starke Trennung zwischen Norder- und Süderdithmarschen vor. Diese Gegebenheiten spiegeln sich auch in der jeweiligen Burgen- bzw. Befestigungslandschaft wider. Erbauten einheimische Große in den nordfriesischen Utlanden Burgen vom Typ befestigter Bauernhof, finden sich in Dithmarschen lediglich Geländeverstärkungen zur Landesverteidigung, die nun vergleichend herangezogen wurden. In beiden Regionen wurden Burgen auch von Angehörigen ländlicher Gruppen angegriffen und zerstört. Des Weiteren konnte hinsichtlich Südjütlands nachgewiesen werden, in welch hohem Maße sich Konflikte auf den dortigen Burgenbestand auswirkten. Die meisten Erstnennungen von Burgen erfolgten dort im Zusammenhang mit Konflikten wie etwa dem um das Herzogtum Schleswig im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts, in dem sich der dänische König Erich von Pommern und die Grafen von Holstein und Stormarn gegenüberstanden. In Holstein und Stormarn hingegen waren insbesondere die Städte Hamburg und Lübeck bedeutsam, die in ihr Umland ausgriffen und den dortigen Burgenbestand wie auch den Adel als Ganzes beeinflussten. Bedeutend waren nicht nur die von den Städten vorgenommenen Burgenniederlegungen, sondern auch, dass die entsprechende schriftliche Überlieferung in der Regel städtischer Provenienz ist und eine städtische Perspektive vermittelt. Auch geistliche Akteure konnten die Niederlegung von Burgen vertraglich durchsetzen. Nicht selten bedingte klösterlicher Landerwerb das Verschwinden von Burgen. Im gesamten Untersuchungsgebiet lassen Burgen als Phänomen sozialen und herrschaftsräumlichen Wandels also Rückschlüsse nicht nur auf den Niederadel zu, sondern auch auf alle sonstigen in ihrem Umfeld nachzuweisenden Akteure.