Stiftung und Totengedenken

Übersetzt und kommentiert von Ludwig Steindorff unter Mitarbeit von Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Stiftung und darauf begründetes liturgisches Totengedenken bildeten im Moskauer Russland ein bedeutsames Element sozialer Praxis innerhalb der Elite. Ihnen kam eine wichtige Rolle bei der Integration des Reiches zu. Bezogen auf die religiöse Begründung, bestehen genetische Gemeinsamkeiten mit der Blüte der von Stiftungen getragenen klösterlichen Kommemoration im hochmittelalterlichen Westeuropa. Auch strukturelle Gemeinsamkeiten kommen bei der zeitverschobenen Parallele zum Tragen: Hier wie dort ähnliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen förderten die Entfaltung der Praxis.

Für wirtschaftsgeschichtliche, kulturgeschichtliche und prosopographische Fragestellungen ist die reiche Quellenüberlieferung an Stiftungsurkunden, Stiftungsbüchern und paraliturgischen Namenlisten zum Totengedenken im Moskauer Russland schon früher häufig herangezogen worden. Doch erst Forschungen der letzten beiden Jahrzehnte haben gezeigt, wie differenziert das Totengedenken organisiert war und mit welch umfangreicher pragmatischer Schriftlichkeit es verbunden war. Zwischen Stiftungsleistung und Umfang der Kommemoration bestand ein regelhafter Zusammenhang. 

Zur Einführung vgl. Ludwig Steindorff: Donations and Commemorations in the Muscovite Realm – a Medieval or Early Modern Phenomenon?, in: Religion und Integration im Moskauer Russland. Konzepte und Praktiken, Potentiale und Grenzen. 14.-17. Jahrhundert, Hrsg. und Einleitung: Ludwig SteindorffWiesbaden 2010 (=Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 76), S. 477-498.

Um die Thematik der deutschsprachigen Forschung noch zugänglicher zu machen, werden hier einige Schlüsseltexte erstmals in ausführlich kommentierter deutscher Übersetzung vorgelegt. Sie alle stammen aus dem Umfeld des Iosif-Klosters bei Volokolamsk (ca. 120 km westlich von Moskau), das 1479 gegründet wurde und in der Organisation des Totengedenkens wie auch der Entwicklung der damit verbundenen Schriftlichkeit eine Vorreiterrolle einnahm.

Unter folgendem Link finden sich folgende Quellenauszüge zum "Stiftungswesen und Totengedenken".

  • Der Brief des Klostergründers Iosif an die Fürstin Marija Golenina von 1508-13
  • Der Eintrag im ältesten Stiftungsverzeichnis über die Stiftung von Fürst Andrej Andreević Golenin an das Iosif-Kloster von 1508-15
  • Auszüge aus dem Paterikon, dem „Väterbuch“, des Iosif-Klosters von ca. 1547, darunter die Erzählung über die Fürstin Marija Golenina
  • Die Stiftung des Leontij Devjatoj Rževskij von 1561/62 als Beispiel einer „Standardurkunde“
  • Das Testament des Fedor Borisovič Borozdin von 1554/55
  • „Über das Totengedenken“ – Kapitel 5 aus den "Klostergewohnheiten" von 1581/82.

 
Übersetzungen und Kommentare entstanden im Rahmen von Altrussisch-Lektürekursen in den Sommersemestern 2009 und 2010.