Habilitationsprojekt
Parapsychologie in Deutschland und Großbritannien 1870/80-1930: Kulturkritische Entwürfe einer „alternativen Moderne“?
Um 1900 war europaweit eine Beschäftigung mit dem „Okkulten“, also vermeintlich verborgenen „übersinnlichen“ Kräften des menschlichen Seelenlebens, en vogue. Aus dieser Beschäftigung ging ein umstrittener Wissenschaftszweig hervor, der später den Namen Parapsychologie tragen sollte. In Deutschland wurden solche Forschungen oft „Wissenschaftlicher Okkultismus“ genannt, in Großbritannien Psychical Research. Der parapsychologischen Beschäftigung mit dem „Okkulten“ bzw. „Übersinnlichen“ lag ein kulturkritischer Impetus zugrunde, der sich gegen den vermeintlich materialistischen und einseitig positivistisch-szientistischen Zeitgeist der Epoche wandte. Das Habilitationsprojekt untersucht, welche Ausprägungen kulturkritische Gedanken in der deutschen und britischen Parapsychologie zwischen 1870/80 und 1930, dem ,Goldenen Zeitalter‘ von „Wissenschaftlichem Okkultismus“ und Psychical Research, annahmen. Es fragt nach alternativen Menschen- und Weltbildern, die aus der parapsychologischen Kulturkritik hervorgingen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Parapsychologie als Ausdruck einer „alternativen Moderne“ bezeichnet werden kann, wie es bisweilen in der Forschung zu Spiritismus und Okkultismus geschieht. Was war jedoch das Andere dieser ,Moderne‘ – falls eine solche Charakterisierung angemessen sein sollte –, das gängige und bisweilen antiquierte Vorstellungen von ,Moderne‘ und ,Modernität‘ überschreitet? So ist es das Ziel, eine Wissensgeschichte der parapsychologischen Kulturkritik zu schreiben sowie über das Deutungsmuster der „anderen“ bzw. „alternativen Moderne“ nachzudenken.