Habilitationsprojekt
„Ohne Unterkunft? Eine Geschichte der Obdachlosigkeit und der Obdachlosen im 19. und 20. Jahrhundert“
Mit Obdachlosigkeit steht ein ubiquitäres Phänomen der Moderne im Mittelpunkt des Habilitationsprojekts. Es untersucht die Wechselwirkungen zwischen der Praxis der Obdachlosenfürsorge und dem Alltag der Obdachlosen während des 19. und 20. Jahrhunderts. Damit zielt das Vorhaben auf eine Geschichte sozialer Ungleichheit, die sowohl die Perspektive des Staates und privater Wohltätigkeit als auch die Obdachlosen selber einbezieht. Im Gegensatz zu bisherigen Studien, die entweder auf die kommunale bzw. staatliche Armenfürsorge oder auf die Aktivitäten einzelner Wohltätigkeitsorganisationen abzielen, wird das gesamte „System“ Obdachlosigkeit analysiert. Dies verspricht neue Erkenntnisse darüber, welchen Platz Obdachlose von einer Gesellschaft zugesprochen bekamen und wie die Betroffenen damit selber umgingen. Zudem wird Obdachlosigkeit nicht allein als Armutsphänomen betrachtet, vielmehr werden politische und infrastrukturelle Ursachen ebenso einbezogen wie das Phänomen, dass Obdachlosigkeit auch ein selbstgewähltes, freiwilliges Lebensmodell oder ein Lebensabschnitt sein kann. Dieser Ansatz wird an zwei Großstädten, zwei Städten mittlerer Größe und zwei ländlichen Regionen verfolgt. Damit wird Obdachlosigkeit als übergreifendem Phänomen Rechnung getragen, das nicht allein auf den urbanen Raum beschränkt ist. Gleichzeitig bietet der Dreiräume-Vergleich in einer Langzeitperspektive die Chance, Stadt-Land-Eigenlogiken und regionale Spezifika sowie Gemeinsamkeiten und Konvergenzen gleichermaßen erfassen zu können.
Das Habilitationsprojekt wird gefördert durch die Gerda-Henkel-Stiftung.