Die Viten der Heiligen Savvatij und Zosima

übersetzt aus dem Altrussischen und erläutert von Ludwig Steindorff

unter Mitarbeit von Anja Franke, Ewa Hajdas, Dennis Hormuth, Jan Kirchhoff, Tatjana Lang, Christina Siegfried und Evgenija Titova

Einleitung: Zur Geschichte des Klosters

Eines der geschichtlich bedeutsamsten Klöster Russlands ist das Kloster der Verklärung Christi auf der Insel Solovki im Weißmeer. Es gehört in die lange Reihe der geistlichen und kulturellen Zentren, die aus der Klosterkolonisation des Moskauer Russland hervorgegangen sind. Eingeleitet wurde der Kolonisationsprozess mit der Gründung des Troica-Sergij-Klosters ca. 100 km nördlich von Moskau durch Sergij von Radonež bald nach 1340. Der Wanderungsprozess nach Norden spiegelt sich in den Gründungsdaten wider; 1396 entstand das Kirill-Kloster südöstlich vom Beloozero; das Kloster auf Solovki wurde 1436 begründet.

Bis ins 16. Jahrhundert baulich recht bescheiden und auch nicht annähernd so wohlhabend wie andere Gemeinschaften, erlebte das Kloster unter dem Igumen Filipp Kolyčev (1546-66) seinen großen Aufstieg und wurde als Empfänger von bedeutsamen Stiftungen attraktiv. Die heutige Anlage erhielt ihre Gestalt weitgehend in der Zeit von der Mitte des 16. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts; dazu gehören auch die gewaltigen Feldsteinmauern, die das Kloster von außen eher wie eine Burganlage erscheinen lassen. Da die Mönche auf Solovki sich weigerten, die vom Zaren und der Synode 1667 beschlossenen Reformen im Ritus und die überarbeiteten liturgischen Bücher zu akzeptieren, begannen Truppen des Zaren 1668 die Belagerung. Erst nach acht Jahren gelang ihnen mit List oder dank Verrat die Einnahme des Klosters. Das Kloster wurde 1854 zu einem Nebenschauplatz des Krimkrieges; den Beschuss durch britische Schiffe überstand es ohne Schäden.

In der frühen Sowjetzeit entwickelten sich das Kloster und der ganze Archipelag um Solovki zu einem Ort des Schreckens. Hier bestand von 1923 bis 1937 SLON, in der Abkürzung harmlos „Elefant“ bedeutend. Doch dahinter verbarg sich Soloveckie lagerja osobogo naznačenija, die „Solovki-Lager zu Sonderzwecken“, der erste große Lagerkomplex des Sowjetstaates. Von 1937 bis zu ihrer Auflösung 1939 wegen der Nähe zur Front im Winterkrieg mit Finnland nannte sich die Einrichtung offiziell tjurma, „Gefängnis“.

Nachdem die Klosteranlage von 1942-44 als Kadettenschule der Nordmeerflotte und danach bis in die fünfziger Jahre als Marinekaserne gedient hatte, wurde sie 1974 zum Museum erklärt, und die Insel wurde in Ansätzen touristisch erschlossen. Seit einigen Jahren leben in einem Flügel des Klosters wieder Mönche.

Von den Anfängen des Klosters auf Solovki wissen wir aus den in allen Redaktionen gemeinsam überlieferten Viten der Klostergründer Savvatij und Zosima: Savvatij hielt sich wahrscheinlich ab 1429 (zum Datum vgl. Anm. 24 in der Übersetzung) für einige Zeit als Einsiedler auf der Insel auf, starb allerdings auf dem Festland am 27. September 1435. Ungefähr ein Jahr nach dessen Tod kam Zosima 1436 auf die Insel und begründete eine Mönchsgemeinschaft, er ließ die Gebeine von Savvatij 1471 auf die Insel überführen. Der Text der Viten lässt nicht nur die Ideale und Anfechtungen des Mönchtums anschaulich werden; er bietet auch ein Panorama der Landschaft des Nordens.

Wir legen nun erstmals eine deutsche Übersetzung der Viten von Savvatij und Zosima vor, und zwar in der dritten Variante der kürzeren Redaktion, die sich unter Auslassung der posthumen Wunder auf das Leben der Heiligen beschränkt. Diese Variante ist Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden und in der Handschriftentradition am weitesten verbreitet, vgl.Mineeva, S. V. : Rukopisnaja tradicija žitija prep. Zosimy i Savvatija Sloveckich (XIV–XVIII vv.), Bd. 1, Moskva 2002, S. 228-233.

Die Übersetzung folgt der Textausgabe von Mineeva, S. V.: Rukopisnaja tradicija, Bd. 2, Moskva 2002, S. 345-352, 353-372 (10. III Kratkaja redakcija).

Die Übersetzung des Vita des hl. Savvatij ist im Rahmen eines von Ludwig Steindorff geleiteten Lektürekurses im WS 2002/03 an der Abteilung für Osteuropäische Geschichte am Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entstanden; an Übersetzung und Redaktion haben mitgewirkt: Anja Franke, Ewa Hajdas, Dennis Hormuth, Jan Kirchhoff, Evgenija Titova. Die Übersetzung des Vita des hl. Savvatij ist aus Lektürekursen im WS 2005/06 und im WS 2006/07 hervorgegangen; mitgearbeitet haben hier Tatjana Lang, Christina Siegfried und Evgenija Titova. – Auf der Ende Juli / Anfang 2003 durchgeführten Exkursion der Abteilung für Osteuropäische Geschichte nach Nordrussland gelangten wir auch nach Solovki. In den Erläuterungen der örtlichen Führer erkannte man immer wieder den Rückgriff auf Informationen aus der hier übersetzten Vita. Die der Übersetzung beigefügten Fotos entstanden auf der Exkursion.

Literatur

  • Robson, Roy R.: Solovki. The Story of Russia Told Through its Most Remarkable Islands, New Haven/London 2004.
  • Spock, Jennifer B.: The Solovky Monastery 1460-1645. Piety and Patronage in the Early Modern Russian North, Ann Arbor 1999.
  • Bušuev, S.: Spaso-Preobraženskij Soloveckij mužskoj monastyr, in: Russkie monastyri, Bd. 2, Moskva 1995, S. 543-579.
 
Unter folgendem Link findet sich die Übersetzung von den "Viten der Heiligen Savvatij und Zosima".