Promotionsprojekt

Das Konzept ‚Verrat‘ im Frühmittelalter – Die Sprache und Gedankenwelt des karolingischen Frankenreichs (Arbeitstitel)

Betreut von Prof. Dr. Andreas Bihrer

Verrat wird häufig als anthropologische Grundkonstante der Geschichte angesehen. Auffallend in der Forschung ist, dass Verrat bisher bis auf wenige Ansätze nicht konzeptuell untersucht worden ist. Dies gilt insbesondere für das Früh- und Hochmittelalter. Erst ab dem Spätmittelalter, in dem Verrat zunehmend juristisch kontextualisiert wurde, ist in der Forschung ein gesteigertes Interesse an Verratshandlungen erkennbar. Verräter und Verratshandlungen wurden dabei allerdings selten über die Ebene der ereignisgeschichtlichen Betrachtung hinaus untersucht. Insbesondere die Wandelbarkeit des Konzepts von Verrat und der Vorstellung, was Verrat ist, ist dabei vollständig unbeachtet geblieben.

Stattdessen überwiegen in der Forschung zu Verrat noch starke Vorbehalte, neuzeitliche Maßstäbe unreflektiert auf das Mittelalter zu übertragen und das Konzept von Verrat so untersuchen zu können. Diese Maßstäbe sind jedoch nicht sinnhaft übertragbar und müssen deswegen insbesondere für das Frühmittelalter verworfen werden. Eine Untersuchung der Wandelbarkeit und die Erarbeitung eines Konzepts für den Begriff ‚Verrat‘ im Frühmittelalter ist daher als Forschungsdesiderat zu identifizieren, dem dieses Dissertationsprojekt Rechnung tragen will.

Dabei stehen die Darstellungen von Verratshandlungen im Frankenreich von ca. 750–900 im Zentrum der Untersuchung. Das Projekt widmet sich ausdrücklich nicht dem juristischen, sondern dem sozialen Verständnis von Verrat. Daher werden historiographische Quellen ins Zentrum der Untersuchung gerückt und nicht Gesetzeserlässe oder Urteile. Anhand dessen soll untersucht werden, welche Wörter und Umschreibungen für Verratsmomente genutzt wurden. Nur davon ausgehend können fundierte Rückschlüsse auf die Vorstellung der Autoren von ‚Verrat‘ gezogen werden. Dafür werden Verfahren aus der Begriffsgeschichte, der Diskursanalyse und der Vorstellungsgeschichte kombiniert. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt sodann darauf, den Umgang mit und die Verhandlung von Verrat durch narrative Strategien zu analysieren und zu entschlüsseln, um so einen Beitrag dazu zu leisten, bislang hauptsächlich modern gedachte Konzepte für mittelalterliche Vorstellungswelten anschlussbar machen zu können. Dadurch kann anhand des Beispiels ‚Verrat‘ ein differenzierteres Bild von Wahrnehmung, Deutung und Interpretation mittelalterlicher Lebenspraktiken und Konzepte erlangt werden.