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meyer testamente

 

I. Einführung(1)

Unser Bild der gesellschaftlichen Struktur des spätmittelalterlichen Lübeck basiert bislang vor allem auf Untersuchungen von Steuerlisten und Berufsstruktur (Brandt 1979) und Studien bestimmter gesellschaftlicher (Führungs-)Gruppen (Bruns 1900, Dünnebeil 1996, Asmussen 1999). Hier soll ein Versuch vorgestellt werden, dieses Bild zu schärfen, indem jenseits von Mitgliedslisten bestimmter Gesellschaften, Ämter, Kompanien nach persönliche Beziehungen zwischen Mitgliedern verschiedener Gruppen gesucht gesucht wird, um auf diese Weise informelle gesellschaftliche Strukturen sichtbar zu machen.

Die bisherigen Versuche, Testamente als sozialgeschichtliche Quelle zu benutzen, können nur teilweise befriedigen, weil die Quellengattung auf die wichtige Frage "Wo können wir die Person in der städtischen Hierarchie einordnen?" nur sehr vage Antwort gibt. Die Hauptgründe dafür sind zum einen der Umstand, dass deutschrechtliche Testamente in der Regel nur Verfügungen über die Fahrhabe, also das frei verfügbare Eigentum, enthalten und häufig wesentliche Vermögensbestandteile wie Immobilien unerwähnt bleiben, zum anderen läßt häufig die summarische Auflistung der Besitztümer keine sinnvolle Quantifizierung zu. So belaufen sich etwa die Legate im Testament des Ratsherren Kersten van Rentelen auf gerade einmal 20 Mark, so daß aus diesem Testament kaum auf den sozialen Status des Testators geschlossen werden kann. Wenn also die an die Testamente herangetragene Frahgestellung auf die soziale Verortung der einzelnen Testatoren zielt, ist ein Abgleich mit weiteren Quellen unabdingbar.

In dem hier vorgestellten Versuch sollen die Testamente jedoch nicht vorrangig als Quelle für den Status des einzelnen, sondern für seine Einbindung in soziale Zusammenhänge dienen. Daher stehen nicht die in den Testamenten aufgezählten Legate im Vordergrund, sondern es soll anhand der Vormundschaftswahlen, die jedes Testament enthält, versucht werden, die Testatoren in ihr soziales Umfeld einzubetten und auf diese Weise gesellschaftliche Zusammenhänge aufzudecken.

II. Vormundschaftswahlen

Als Hinrik van dem Braken am Laurentiustag des Jahres 1413 auf dem Krankenbett seinen letzten Willen niederschreiben ließ, bestimmte er zur Ausführung der Bestimmungen seines Testamentes die ungewöhnlich große Zahl von neun Testamentsvollstreckern, auf mittelniederdeutsch vormunderen. Deren Aufgaben bestanden zum einen darin, in Lübeck selbst, aber auch im norwegischern Bergen und in Osnabrück Gelder zu frommen und mildtätigen Zwecken zu verteilen, vor allem aber darin, die Tochter des Testators zu verheiraten und bis zu ihrer Heirat zu versorgen sowie das den beiden Söhnen zukommende Vermögen bis zu deren Mündigkeit zu verwalten.

Dass van Brakel für diese Zwecke insgesamt neun Personen benannte, mag sich daraus erklären, dass die Versorgung seiner Kinder eine längerfristige Aufgabe war, deren Ende möglicherweise nicht alle neun gewählten Vormünder erleben würden. Der Testator wollte offensichtlich durch die große Zahl der gewählten Testamentsvollstrecker sicherstellen, dass die Bestimmungen seines letzten Willens in jedem Falle ausgeführt wurden.

Viele andere Testatoren, die zur Ausführung ihrer Testamentsbestimmungen weniger Personen aufboten (im Durchschnitt waren es knapp 4), begegneten dieser Gefahr durch die Anweisung, dass, wenn einer der Vormünder stürbe, sich die übrigen durch eine ihnen geeignet scheinende Person ergänzen sollten.

Diese Bestellung der Vormünder (in lateinischen Testamenten: Provisoren, später auch: Testamentarier) war ein Hauptbestandteil der Lübecker Testamente, in den 1702 zwischen 1400 und 1450 überlieferten Exemplaren fehlt die Wahl von Vormündern in keinem einzigen Fall.

Die Aufgabe der Vormünder war es, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auszuführen. Diese sahen in aller Regel vor, die Besitztümer des Testators an verschiedene Empfänger zu verteilen. In den Lübecker Testamenten, wie in deutschrechtlichen Testamenten überhaupt, war der Erblasser allerdings lediglich berechtigt, über die sogenannte Fahrhabe, das bewegliche Gut, zu verfügen. Den Gegensatz zur Fahrhabe bildete das Erbgut, das in fester Erbfolge weitergegeben wurde und damit nicht Gegenstand des Testaments war. Zumindest im Prinzip nicht, denn in der Praxis war es schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts üblich geworden, sogar den Prototyp des Erbguts, das Wohnhaus, als Fahrhabe zu behandeln und darüber im Testament zu verfügen.

Damit war der Raum offen für Erbstreitigkeiten aller Art, mit denen sich die Vormünder auseinanderzusetzen hatten. Testatoren, die solcherlei Unbill bereits vor ihrem Tod kommen sahen, gaben ihren Vormündern gelegentlich Anweisungen für solche Streitfälle: Ein gespanntes Verhältnis zu seiner Gattin scheint Albert Dyderikes gehabt zu haben. Er wies seine Vormünder an, seiner Frau nur dann 10 Mark auszuzahlen, wenn diese ihr Leben besserte: Item beterd myn husvrowe Greteke ere levend, so schal ze hebben van mynem gude, ere noed mede tokerende, 10 mark, men beterd ze sik nicht, so schal ze nicht hebben van mynem gude, went ik er nicht plichtich byn, alse der stad bok wol utwyset.

Der Fall, dass Angehörige des Erblassers Anspruch auf dessen Besitz erhoben, der Ihnen nach Ansicht des Testators nicht zukam, scheint ein wiederkehrendes Problem gewesen zu sein, jedenfalls enthalten viele Testamente Anweisungen an die Vormünder, solche Forderungen abzuweisen: Item sy witlik, dat ik van mynes vader unde myner moder erve nicht entfangen hebbe, alzo dat ik van der wegen nymande erfschichtinge plichtich byn, dat neme ik up myne zele, unde hir vor mogen myne vormundere vrygliken recht don, oft des behof wurde.(Hinrik van Zoest)

Eine Portion Diplomatie, wohl auch Verschwiegenheit wurde den Vormündern abverlangt, wenn etwa Gelder an Personen auzuhändigen waren, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht namentlich genannt wurden, wie im Testament des Detleff Bonhorst: item enem vrunde, den myn moder unde myne sustere wol kennen, scholen myne vormundere tokeren 30 mark lub. Häufiger als solche obskuren Verfügungen, die möglicherweise der Versorgung eines illegitimen Kindes dienten, war die Anweisung an die Vormünder, sich um die "regulären" Kinder des Testators bis zu deren Mündigkeit oder Verheiratung zu kümmern, indem sie deren Erbteile bis zu ihrer Auszahlung an die Kinder selbst oder, bei Mädchen, deren Ehemänner aufbewahrten und verwalteten.

Noch langwieriger, nämlich ohne jede zeitliche Begrenzungen, waren einige Aufgaben, die vornehmlich wohlhabende Testatoren im Zusammenhang mit Memorialstiftungen ihren Vormündern aufbürdeten, wie etwa der Bürgermeister Hinrik Rapesulver, der eine ewige Rente von 300 Mark eingerichtet haben wollte, deren Verwendung im 6-Jahres-Rythmus wechseln sollte: abwechselnd sollten 6 Studenten unterstützt beziehungsweise 6 arme Jungfrauen verheiratet werden. Die Auswahl der "Stipendiaten" sollte den Vormündern obliegen, die sich, was in diesem Falle sinnvoll erscheint, im Bedarfsfall durch Kooption ergänzen sollten. Auch bei der Stiftung ewiger Vikarien legten die Testatoren meist Wert darauf, dass der jeweilige Inhaber der Vikarie von seinen Vormündern bestimmt wurde. In solchen Fällen waren die Vormünder waren die Vormünder die eigentlichen Träger der Memoria, der Erinnerung an den Toten unter den Lebenden.

War schon die Verteilung des vorhandenen Besitzes ein mitunter schwieriges Unterfangen, so kam für die Vormünder als Erschwernis hinzu, dass die Vermögenslage des Testators sich seit dem Aufsetzen des Testaments verändert haben konnte und der Erblasser möglicherweise Außenstände bei Schuldnern oder Verbindlichkeiten bei Gläubigern hatte, die den Vormündern nicht bekannt waren.

Viele Testatoren verwiesen ihre Vormünder auf ein von ihnen geführtes rekenbok, welches über ihre finanziellen Verhältnisse Auskunft geben sollte. Sie verlangen von ihren Vormündern in aller Regel, sie sollten die darin genannten schulden inmanen, also die Außenstände eintreiben. Um die Erfolgsaussichten dieser Bemühungen zu erhöhen, boten einige Testatoren ihren Schuldnern an, auf einen Teil der Schuld zu verzichten, wenn denn der Rest unverzüglich gezahlt würde.

Hauptsorge im Umgang mit Gläubigern war einerseits die Abwehr unberechtigter Forderungen. So verlangten viele Testatoren, nur Gläubiger zu bedienen, deren Forderungen auch in ihrem eigenen Rechenbuch aufgeführt waren, und beteuerten, ansonsten schuldenfrei zu sein: Ok neme ik dat up myne zele, dat ik nymende schuldich en byn andes den myn rekenboek utwiset und mynem broder Hinrike witlik is, unde dar mogen myne vormundere vrigliken recht vore don, eft des behuff worde (Bernd van der Beke)

Heikel für die Vormünder konnten Forderungen sein, die der Testator zu seinen Lebzeiten nicht anerkannt hatte und das gleiche auch von seinen Vormündern verlangte, wie etwa Berthold van Northem: Item isset, dat schipper Hans Lunenborch mine vormundere jerghend umme beswaren wolde, so moghen se dat velich sweren up mine selen, dat ik em nicht plichtich bin ofte ghelovet hebbe.

Andererseits waren die Erblasser aber auch darauf bedacht, niemandem etwas schuldig zu bleiben, wie etwa aus dem Testament des Gherardus Boeris hervorgeht: Item beghere ik unde wil, dat myne vormundere myne schulde yn manen alze se best konen un betalen eneme yeweliken dat syne den ik schuldich byn uppe dat zik nemand na myneme dode over my dorve beclaghen. Diese Hoffnung hat sich im Falle Boeris' offensichtlich nicht erfüllt, denn der Händler und Bankier war überschuldet. Seine Vormünder waren nicht in der Lage, die Bestimmugen des Testaments auszuführen, weil die Bevollmächtigten des Hauptschuldners Cosimo de' Medici sämtliche noch vorhandenen Güter beanspruchten, sogar den Brautschatz von Bueris Witwe mussten die Vormünder ihnen zugestehen, wenn auch erst nach deren Tode (Fouquet, S. 219).

Fälle wie dieser, aber auch die Einrichtung der oben geschilderten ewigen Rente verwickelten die Vormünder in Rechtsgeschäfte, die vor dem Rat der Stadt abgeschlossen wurden. Der bei solchen Anliegen nötige Umgang mit dem Rat verlief offenbar nicht immer so reibungslos, dass er sich nicht durch kleine Aufmerksamkeiten noch verbessern ließe. Diesen Schluss legt jedenfalls das Testament des Cord Sanders von 1441 nahe, der die Abwicklung seines letzten Willens durch eine Barspende an den Rat fördern wollte: Item mynen leven heren, deme rade to Lubek, geve ik uppe ere kemerie 60 mark lub to der stad behuff, begherende, dat ze mynen vormunderen gunstich unde vorderlik willen syn, myn testamente by rechte unde macht to beholdende, soverne des nod unde behuff werd.

Es sollte deutlich geworden sein, dass die Übernahme einer Vormundschaft mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden sein konnte. Wie lohnten die Testatoren ihren Testamentsvollstreckern deren oben beschriebene Mühen? In aller Regel gar nicht, zumindest nicht im Testament, denn in etwa drei Vierteln der untersuchten Testamente haben die Provisoren keinerlei irdische Zuwendungen zu erwarten, sondern sollen auf Gottes Lohn hoffen. So erwartet etwa Gherd Diikmann 1431 von seinen Vormündern, dat ze mynen lesten willen to godes love in sodaner eendracht vorvullen, alse ik en des wol belove, unde nemen dat loen van gode.

Wenn die Vormünder Berücksichtigung fanden, dann eher durch Zuwendungen von symbolischer Bedeutung. Verbreitet war etwa die Bestimmung, die Vormünder möchten bei jeder ihrer Zusammenkünfte in Testamentsfragen ein bestimmtes Quantum rheinischen Weines trinken, sik vrolik mede to makende, mehr oder weniger deutlich mit der Hoffnung verbunden, dies möge die Vormünder zu gründlicher Erfüllung ihrer Aufgabe im Sinne des Verstorbenen anregen. Tydeman Volmesten formuliert dies explizit: Vortmer gheve ik mynen vormunderen ene halve tunne wynes, uppe dat myn testament deste bet entrichtet werde. Häufiger als eine Mengenangabe war jedoch die Angabe einer Summe, die der Testator für den Weinkauf vorsah. Hierfür wurde, wie sonst bei Geschäftsabschlüssen, die man durch einen Trunk bekräftigte, der Begriff winpenninge (Weinpfennige) gebraucht: Item gheve ik minen vormunderen 4 mark to winpenningen, up dat myn testament vullenbracht werde (Hinrik Grone). Wohlhabende Testatoren hinterließen ihren Vormündern gelegentlich goldene Ringe, üblicherweise im Wert eines englischen Nobel, oder aber direkt ein oder zwei Nobel mit der Maßgabe, daraus einen Ring oder ein clenode anfertigen zu lassen, auf daß die Vormünder den Verstorbenen in guter Erinnerung behielten. So vermachte Ludeke van Achem 1438 seinen vormunderen [...] yslykem ene sware enghelschen nobelen to guder dechtnisse. Und Johan Koleman bedachte seine Vormünder, ausdrücklich auch die später eventuell kooptierten, mit 2 nobelen, enen boch aff to makende. Aus dieser standardisiert erscheinenden Einförmigkeit von Weinpfennigen und Ringen, die den Vormündern zukommen sollten, fällt nur ein einziges Testament heraus: Albert Senghestake vermachte seinen Vormündern je einen guten fetten Ochsen, ebenfalls to guder dechtnisse.

Wozu diese Ausführungen? Sie sollten das Verhältnis zwischen Testator und Vormund beleuchten, welches mir durch folgende Eigenschaften charakterisiert scheint: Zum einen das Vertrauen des Testators in die Ehrlicheit und Einsatzbereichtschaft des Vormunds, aber auch der Glaube an dessen Fähigkeit, den Willen des Erblassers gegen möglicherweise widerstrebende Angehörige, gegen eventuelle Gläubiger und Schuldner durchzusetzen. Was umgekehrt das Verhältnis des Vormunds zum Testator angeht, können wir lediglich festhalten, daß zumindest der Testator glaubte, seinen Vormündern die oben beschriebenen Mühen wert zu sein.

 

III. Soziometrische Analyse

Diese vermuteten Eigenschaften der Beziehung zwischen Erblasser und Vormund sollen im folgenden nutzbar gemacht werden für die Analyse der sozialen Beziehungen in der Lübecker Bürgerschaft. An dieser Stelle kommt nun der angekündigte Titel des Vortrages, die Soziometrie, ins Spiel:

Die soziometrische Methode, von dem Wiener Psychiater J. L. Moreno in den 30er Jahren für Zwecke der Gruppentherapie entwickelt, dient dazu, Strukturen von Gruppen aufzudecken. Hauptmittel dazu ist eine Befragung der Gruppenmitglieder. Idealtypisch ist etwa die Frage an die Mitarbeiter einer Firma oder Behörde "Mit wem aus der Gruppe möchten Sie Ihren Urlaub verbringen?" Diese Frage wird jedem einzelnen Mitarbeiter gestellt, er kann darauf eine oder mehrere Antworten geben. Diese Antworten werden als Sympathiebekundungen gegenüber dem als Urlaubspartner gewählten aufgefasst. Personen, die viele solcher Freundschaftswahlen bekommen, gelten als zentral und von größerem Einfluss als Personen, die wenig oder gar nicht gewählt werden. Die Vormundschaftswahlen in den Testamenten sollen in diesem Sinne als Freundschaftswahlen aufgefasst werden.

Das auf diese Weise ermittelte Beziehungsgeflecht lässt sich grafisch in einem sogenannten Soziogramm darstellen, indem man Wähler und Gewählten mit Pfeilen miteinander verbindet. Zentrale Personen werden in so einer Darstellung durch die Vielzahl von auf sie weisenden Pfeilen kenntlich. Die in den 20 betrachteten Jahren zwischen 1400 und 1419 überlieferten 448 Testamente enthalten insgesamt 1678 Vormundschaftswahlen, der Durchschnittstestator ernennt also knapp vier Vormünder. Da das Gesamt-Soziogramm mit 1678 Pfeilen zum einen sehr unübersichtlich wird, zum anderen viele Teilbereiche des Netzes unverbunden sind, sollen im folgenden nur Teilbereiche betrachtet werden, die entweder beispielhaft sind, weil sie häufig wiederkehrende Figurationen enthalten, oder in denen eine besonders hohe Verknüpfungsdichte auf Personen von hoher Bedeutung hinweist.

Diese grafischen Darstellungen sollen unterfüttert werden durch den Versuch, die dargestellten Wahlkonstellationen dadurch zu erklären, dass geprüft wird, ob sich zwischen Testator und Vormund eine anderweitige Beziehung feststellen lässt, die für die Vormundschaftswahl konstitutiv gewesen sein könnte. Mit anderen Worten, es soll nach Gründen für die Vormundschaftswahl gesucht werden, die annahmegemäß in der Person des Vormunds oder in der Beziehung zwischen Testator und Vormund liegen könnten.

Ein erstes Beispiel: Abbildung 1 zeigt ein Knäuel von Personen, von denen sich zwar nur zwei direkt gegenseitig wählen, die aber alle durch mehrere Wahlen miteinander verknüpft sind. Das Gesamtnetz besteht aus sehr vielen solchen kleinen Clustern, die untereinander nicht oder nur wenig verbunden sind.

Die Erklärung für solche Cluster drängt sich dem Betrachter schon dadurch auf, dass im Beispiel drei der fünf Beteiligten den Namen Stenbeke tragen. Ihre Verwandtschaft ist offensichtlich, wenn auch im Detail nicht aufzuklären. Ein Vierter, Tydeke Rolant, ist den Stenbekes durch Heirat verbunden.

Verwandtschaftsbeziehungen verschiedenen Grades sind die häufigste auffindbare Erklärung für Vormundschaftswahlen: Zwar enthalten nur 121 der 1678 Vormundschaftswahlen explizite Verwandtschaftsangaben. Es ist jedoch mit einer erheblichen Dunkelziffer zu rechnen, denn in weiteren 23 Testamenten stimmt der Familienname des Testators mit dem eines Vormunds überein, ohne dass ein Verwandtschaftsgrad angegeben ist. Hier ist davon auszugehen, dass es sich um nahe agnatische Verwandte handelt. In unbekannter Höhe hinzuzurechen sind weiterhin kognatische und überhaupt alle angeheirateten Verwandten, denn diese bleiben unerkannt, weil über die Namen keine Verwandtschaft zu erschließen ist.

Nahe Verwandte zum Vormund zu wählen, ist aus einer Reihe von Motiven gut nachvollziehbar: vor allem liefert uns die Solidarität innerhalb der Familie einen plausiblen Grund, warum die Vormünder bereit waren, diese Aufgabe zu übernehmen.

Auch das Lübische Recht sah die Vormundschaft der Verwandten als Regelfall vor: für den Fall, dass jemand testamentarisch keine Vormünder bestimmte (was allerdings im Untersuchungszeitraum nicht vorkam) oder ohne Testament starb, sollten die nächsten Verwandten von der swert siden, also väterlicherseits, Vormünder sein, wenn solche nicht existierten, kamen Verwandte mütterlicherseits in Frage. Überhaupt war der Kreis derjenigen, die man zu Vormündern wählen konnte, eingeschränkt: Auswärtige scheinen weitgehend ausgeschlossen zu sein,(2) und auch Lübecker Bürger mussten, wenn der Wert der Vergabungen 15 lübische Mark überstieg, besetene borgere sein, also über erblichen Grundbesitz verfügen. Auch Frauen schieden aus rechtlichen Gründen aus, sie brauchten nämlich selbst Vormünder; das war in Köln, Konstanz und Venedig im gleichen Zeitraum anders, hier waren unter den Vormündern bis zu einem Drittel Frauen.

Zurück zu den Fällen, in denen eine konkrete Angabe eines Verwandtschaftsverhältnisses vorliegt: mehr als die Feststellung, dass man verwandt war, lässt sich leider nur selten treffen. Hauptgrund dafür sind die Vieldeutigkeiten in der Bezeichnung von Verwandtschaft: zwar ist die häufigste Verwandtschaftsbezeichnung Bruder (36x) eindeutig, mit der zweithäufigsten Bezeichnung aber wird das Problem deutlich: 27 mal wurden Ome gewählt.(3) Om bezeichnet im engeren Sinn sowohl Mutterbrüder als auch Schwestersöhne, Om ist also ein gegenseitiges Verhältnis: man ist der Om seines Oms. Worum es sich in den Testamenten überwiegend handelt, ist schwer zu sagen: man könnte annehmen, dass die Testatoren ihre Vormünder im Hinblick auf die zu erwartende Überlebensdauer sinnvollerweise jünger als sich selbst wählten (so werden deutlich mehr Söhne als Väter zu Vormündern bestellt), sicher ist dies aber nicht, zumal Wiegandt in seiner Studie über die Familie Plescow für Om neben den beiden Hauptbedeutungen noch eine Reihe entfernterer Verwandtschaftsgrade (etwa Vettern mit gemeinsamer Großmutter) nachgewiesen hat. Weiterhin tauchen vor allem in den ersten Jahren nach 1400 auch noch die nur vermeintlich präziseren lateinischen Bezeichnungen avunculus (Mutterbruder, 6x) und patruus (Vaterbruder, 2x) auf, was in der Sprache der Zeit aber lediglich Verwandte mütterlicherseits von denen väterlicherseits trennt. Auf diese Weise ist also die Frage, welcher Generation die Vormünder üblichweise angehören ebensowenig zu klären wie jene, bis zu welchem Verwandtschaftsgrad (als "Entfernung" verstanden) man Vormünder wählte.

Festzuhalten bleibt: es lassen sich viele Gründe anführen, die es nahelegen, sich seine Vormünder in der näheren Verwandtschaft zu suchen, allerdings ist damit, selbst wenn man den 121 gefundenen Fällen, in denen Verwandte zu Vormündern gewählt werden, eine mehrfach größere Dunkelziffer hinzurechnet, immer noch nur ein Teil der Vormundschaftswahlen insgesamt erklärt.

Fahnden wir also weiter nach Personen, mit denen die Testatoren in anderer Weise verbunden waren, die ein gewisses Vertrauen impliziert, zum Beispiel durch eine gemeinsame Handelsgesellschaft. Die im hansischen Raum übliche Form der Handelsgesellschaft war eine häufig kurzfristige Verbindung meist zweier Personen, von denen eine als Kapitalgeber fungierte, der andere mit Hilfe dieses Kapitals Handel trieb. Ein gewisses Vertrauensverhältnis kann man hier zweifellos implizieren.

Im fraglichen Zeitraum gaben 68 Testatoren an, zum Zeitpunkt der Testamentsniederschrift mit anderen eine oder mehrere selschoppen zu haben, 17 dieser Testatoren wählen einen oder mehrere Gesellschafter zum Vormund. Nun waren allerdings bis auf drei alle dieser zum Vormund bestimmten Geschäftspartner auch nachweislich mit dem Testator verwandt. Das ist nicht überraschend, denn verwandtschaftliche Beziehungen bildeten überaus häufig die Grundlage für geschäftliche Verbindungen.(Asmussen, Wiegandt) Eine über verwandtschaftliche Solidarität hinausgreifende Erklärung für Vormundschaftswahlen liefern die Handelsgesellschaften damit aber nicht.

Insgesamt bleiben wir in über 80% der Fälle ohne Kenntnis einer persönlichen Beziehung, die die Vormundschaftswahl erklären könnten. Verlegen wir uns also auf den zweiten Ansatz, die Suche nach Vormündern, die besonders häufig gewählt wurden. Denkbar ist, dass hier vielleicht weniger eine enge Persönliche Bindung ausschlaggebend war, sondern die Position des Vormunds, die den Testator hoffen ließ, dieser sei besonders geeignet, die eigenen letztwilligen Verfügungen in die Tat umzusetzen. In Zeiten, die nur rudimentär staatliche Institutionen zur Durchsetzung des testatorischen Willens kannten, konnte die Wahl vielleicht auf Personen fallen, die aufgrund ihres Amtes probate Agenten des Willens der Erblasser abgeben würden. Hier denkt man zuerst an bestimmte Amtsträger, Ratsherren etwa, die, sei es aufgrund ihrer Amtsgewalt oder ihres Ansehens, die Durchsetzung testamentarischer Wünsche befördern könnten. Um solche Personen herum könnte man sich einen Kreis von Klienten vorstellen, deren Interessen der Vormund nach Art eines Patrons vertritt.

Zumindest im Falle der Ratsherren wird diese Erwartung jedoch enttäuscht: Von den 113 Ratsleuten, die Fehlings Ratslinie für den Zeitraum zwischen 1400 und 1450 aufzählt, wurden lediglich neun zwischen drei- und fünfmal zum Vormund gewählt; nur ein einziger, Detmar van Thunen, wurde mit zwölf Vormundschaftswahlen von einem größeren Personenkreis mit der Aufgabe betraut.

Fündig wird man hingegen unerwartet bei einer anderen Berufsgruppe, die zudem deutlich kleiner war als die der Ratsherren: die beiden mit Abstand am häufigsten gewählten Einzelpersonen sind die Werkmeister der Lübecker Kirchen St. Jacobi und St. Marien. Godeke Steenbeke, Werkmeister der Jacobikirche wurde von 16 Personen zum Testamentsvollstrecker gewählt, für Hermann Robeke, der dieses Amt an der Marienkirche versah, sind Vormundschaftswahlen von 17 Testatoren überliefert (siehe Abbildung 2). Robekes Vorgänger im Amt, Evert Ravensberghe, wurde fünfmal zum Vormund ausersehen, und für drei weitere Werkmeister Lübecker Kirchen liegen jeweils ein bis drei Wahlen vor. Dieser Befund soll im folgenden beleuchtet werden.

IV. Warum gerade die Werkmeister?

Daß sich die Werkmeister, namentlich die an St. Marien und St. Jacobi, als zentrale Personen im Geschäft um die Abwicklung der letztwilligen Verfügungen der Lübecker Bürger erweisen, erstaunt insofern, als diese Personengruppe in der sonstigen (gedruckten) Überlieferung Lübecker Provenienz kaum in Erscheinung tritt: Die neun in den ausgewerteten Testamenten genannten Werkmeister erscheinen im Lübeckischen Urkundenbuch zusammen zwölfmal, im Urkundenbuch des Bistums Lübeck gar nur viermal. Nur knapp die Hälfte dieser Urkunden erlaubt jedoch Rückschlüsse auf die Tätigkeit der Werkmeister.

Für das gehäufte Auftreten dieser Personengruppe als Testamentsvollstrecker bieten sich vorläufig zwei Hypothesen an: erstere setzt bei der vermuteten gesellschaftlichen Position der Werkmeister an, zweitere beruht auf der Funktion der Werkmeister bei der Betreuung frommer Stiftungen.

1. Welche Stellung die Werkmeister in der Lübecker Gesellschaft einnahmen, ist schwierig zu beurteilen, zum einen, weil die Inhaber dieser Ämter, wie eben erwähnt, urkundlich kaum zu fassen sind, zum anderen, weil mit dem Begriff "Werkmeister" durchaus verschiedene Tätigkeiten bezeichnet sein können. Der Werkmeister im eigentlichen Sinne (lat. magister operis) war für die praktische Durchführung der Bauarbeiten verantwortlich, die Bezeichnung ist jedoch auch gebräuchlich für den Verwalter der Kirchenfabrik, in dessen Obhut die Verwaltung des kirchlichen Vermögens lag. Obwohl mit der Fabrikverwaltung in Lübeck formal zwei jährlich wechselnde Ratsherren befaßt waren, scheinen de facto die Werkmeister diese Aufgabe ausgeführt zu haben, denn in den wenigen greifbaren Urkunden, in denen die Werkmeister auftauchen, geht es stets um die finanzielle Einrichtung frommer Stiftungen oder anderweitige finanzielle Angelegenheiten der Kirchen.

Für Werkmeister im letztgenannten Wortsinn ist in einer Reihe oberdeutscher Städte bekannt, dass die Werkmeister als Beauftragte des Rates aus dem Kreis der ratsfähigen Familien gewählt wurden (Binding, Sp. 2205), mithin der städtischen Elite angehörten. Das scheint in Lübeck so nicht der Fall gewesen zu sein. Zwar gibt es im 15. Jahrhundert mehrere Ratsherren mit dem Namen Lange, eine Verwandtschaft zum Werkmeister Riquard Lange ist allerdings nicht nachzuweisen. Ebensowenig ist dies für die übrigen genannten Personen der Fall, nur in einem Fall, bei Hermann Robeke lässt sich überhaupt auch nur eine vage Verbindung zum Rat herstellen: er ist einmal, im Jahre 1446, als Zeuge bei Ratsentscheidungen nachweisbar (LUB 8, 327). Eine gehobene gesellschaftliche Stellung Robekes anzunehmen ist aber deswegen stimmig, weil er durchaus vermögend gewesen zu sein scheint. In seinem ersten überlieferten Testament hinterließ er der Baukasse "seiner" Kirche 300 Mk.

Das Bild von einer gehobenen gesellschaftliche Position der Werkmeister gewinnt etwas an Schärfe, wenn man den Status der „Wähler" untersucht. Dies ist zwar unter methodischen Gesichtspunkten schwierig, weil die summarischen Vermögensangaben in den Testamenten für eine zuverlässige soziale Einordnung nur bedingt taugen und externe Quellen kaum zur Verfügung stehen. Weil es hier aber nicht so sehr darum geht, die finanzielle Situation eines einzelnen Testators möglichst präzise zu bestimmen, sondern eine Gruppe von Personen sozial einzuordnen, wird hier auf eine einzige, in jedem Testament enthaltene, statusrelevante Angabe zurückgegriffen: Als Schichtungskriterium dient hier die Höhe des „Wege und Stege"-Legats. Ein solches Legat ist seit 1372 verpflichtender Bestandteil jedes Lübecker Testaments, die Höhe desselben scheint jedoch, vergleichbar mit der in Lübeck praktizierten Steuererhebung, dem einzelnen entsprechend seiner Selbsteinschätzung anheim gestellt gewesen zu sein. Jedenfalls korreliert die Höhe dieses Legats in den Testamenten gut mit (nur gelegentlich ermittelbaren) statusrelevanten Informationen wie der Höhe des Brautschatzes, Hausbesitz etc.
Legt man dieses Schichtungskriterium zugrunde, sind unter den „Wählern" der Werkmeister die vermeintlich ärmeren Testatoren unterrepräsentiert. So ist unter den 26 Personen, die Godeken Steenbeken und/oder Hermann Robeke zum Vormund wählten nur ein einziger "4 Schilling-Testator", dagegen sind Erblasser mit Wege und Stege-Legaten von 1 und 2 Mark deutlich häufiger, als statistisch zu erwarten wäre. Aus dieser Beobachtung wird deutlich, daß es sich bei dem konstruierten Zirkel um die Werkmeister wohl kaum um eine Klientelbeziehung handelt, in der sich schutzbedürftige Klienten um die Fürsprache eines durchsetzungsfähigen Patrons bemühen, sondern eher um ein Netzwerk unter Gleichrangigen. Folgt man dieser Überlegung, so ist zwar eine gehobene gesellschaftliche Position der Werkmeister plausibel, diese kommt aber nicht mehr als ausschlaggebender Grund für die Wahl in Betracht, wenn die "Wähler" über einen vergleichbaren Status verfügen.

2. Die Werkmeister waren (trotz der Existenz gesonderter Provisoren) für die Finanzverwaltung des Kirchenbaus zuständig, dazu gehörte offenbar auch die Verwaltung der Stiftungsgelder, die den Kirchen, häufig auch in Form von Renten, zukamen. Wenn also ein Testator in seinem Testament die Baukasse einer Kirche bedachte, landete dieses Geld letztendlich beim Werkmeister. Was lag nun für den Erblasser, dem an einer seinen Vorstellungen entsprechenden Verwendung seines Vermögens gelegen war, näher, als denjenigen, der von Amts wegen damit betraut war, auch als Vormund in die Pflicht zu nehmen?

Für diese Überlegung spricht, dass 10 der 16 Testatoren, die Godeken Steenbeken, den Werkmeister der Jacobikirche, als Vormund einsetzen, diese Kirche in ihrem Testament mit vergleichsweise substantiellen Legaten berücksichtigen:

Tydeke Koteman etwa vermachte der der Jacobikirche 5 Mark jährlicher Rente unter der Bedingung, dass der Werkmeister allabendlich de grote Ave Marien clokken neun mal läuten ließ. Hier ist die Rolle des Werkmeisters bei der Erfüllung der geforderten Gegenleistung explizit angesprochen, ebenso wie im Testament des Merten Kale: Dieser sah für die Jacobikirche ebenfalls 5 Mark jährlicher Rente vor mit der Maßgabe, dat de werkmeister, de tor tyt is, der 5 mark renthe em yarlikes to komende bruken scholle to beterynge der myssewede unde ornate, der men in der sulven kerken not heft to brukende. In einem späteren Testament fehlt diese Stiftung (möglicherweise hat Kale sie bereits zu Lebzeiten ins Werk gesetzt), dafür vermachte Kale dem werkhus sunte Jacobes kerken sein beste sulverne glas, ewich dar to blivende vor myne dechtnisse.

Laurencius Wynt überließ der Kirche ein Stück Land, dessen Einnahmen für ein Wachslicht vor deme hilgen cruce verwandt werden sollten. Tymme Yegher wählte sein Grab an (in?) der Jacobikirche und stiftete für das bilde Unser leven Vrouwen seinen besten, mit Pelz besetzten Rock. Auch hier war der Werkmeister damit befasst, die Stiftungen in Bargeld umzusetzen,also den Pelz zu verkaufen und das Stück Land zu verpachten.

Hermen Hogheveld, Hans Voes, Hermann Robeke und Clawes Steenbeke jun. schließlich bedachten die Baukasse der Jacobikirche mit Summen zwischen 2 und 20 lübischen Mark, Gelder, die also direkt in die Obhut des Werkmeisters kamen. Das wäre an sich noch nicht sehr erklärungskräftig, denn Stiftungen an die Baukassen der fünf innerstädtischen Pfarrkirchen sind in der Mehrzahl der Testamente zu finden. In den genannten Fällen war das Legat für die Jacobikirche jedoch stets das größte im Testament, so dass hier doch eine spezielle Affinität zur Jacobikirche zum Ausdruck kommt.

Die aufgeführten Beispiele machen deutlich, dass die Rolle, die der Werkmeister bei der Abwicklung/Ausführung der frommen Stiftungen der Testatoren spielte, durchaus eine sinnvolle Erklärung für die Wahl als Vormund bietet.

Zwar geht bei immerhin 6 von 16 Testatoren, die den Jacobi-Werkmeister Steenbeken als Vormund wählen, die Jacobi-Kirche leer aus, von diesen 6 Testatoren weisen allerdings 4 in ihrem Testament auch gar nicht darauf hin, dass es sich bei ihrem Vormund um einen Werkmeister handelt, so dass hier vielleicht eine verwandtschaftliche oder sonstige, nicht offenkundige, Beziehung für die Wahl ausschlaggebend gewesen ist.

 

V. Ausblick

Ich halte es der Methode zu Gute, auf eine zentrale Position einer Personengruppe gestoßen zu sein, die ansonsten in Lübecker Quellen nicht offensichtlich ist. Eine Frage, der in diesem Zusammenhang noch nachgegangen werden muss ist der Wohnsitz der Testatoren. Wenn sich etwa nachweisen ließe, dass die Vormundschaftswahlen für die Werkmeister hauptsächlich oder ausschließlich von Einwohnern des jeweiligen Kirchspiels erfolgten, wäre damit die Position des Werkmeisters in seiner Kirchengemeinde hervorgehoben, andererseits rückte damit die Kirchengemeinde als möglicher Bezugsrahmen überhaupt ins Blickfeld.

Weiterhin ist geplant, größere Gruppen mit hoher Verknüpfungsdichte näher zu untersuchen. So sind für etwa für die Bergenfahrer viele gegenseitige Wahlen zum Testamentsvollstrecker bekannt. Vielleicht lassen sich auf die hier beschriebene Weise Einblicke in die Struktur einer Gruppe gewinnen, deren schriftliche Überlieferung ansonsten für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts nur wenig detailliert ist.

Anmerkungen

 

1. Hier ist eine sprachlich überarbeitete Fassung des in Kiel gehaltenen Vortrags wiedergegeben. Die Anregungen der Tagungsteilnehmer, namentlich die nützlichen Hinweise von Herrn Dr. Reitemeier, sind in eine auf die Werkmeister zugespitzte Überarbeitung eingeflossen, die als Aufsatz erschienen ist in: Selzer, S.; Ewert, U. [Hg.]: Menschenbilder - Menschenbildner, Individuum und Gruppe im Blick des Historikers, Berlin 2002.

2. So jedenfalls der sogenannte Bardewichsche Codex; eine andere Handschrift ist etwas konzilianter und verbietet auswärtige Vormünder nur, wenn nicht auch die nächsten Erben dabei waren. Vgl. HACH 1839, 239.

3. außerdem noch 12 Schwäger, 6 Mutterbrüder, 5 Schwiegersöhne, 4 Schwestersöhne, 4 Vettern, 3 Väter, 2 Vaterbrüder und 1 Stiefsohn.